Rede


Deutsch – Rede – Marie Hummer, 8B

Sehr geehrte Eltern- und Lehrervertreter! Liebe Mitschüler!

Normalverteilung, Sauerstoffbindung, Replikation, Supraleiter – ich kann als Maturantin all diese Begriffe erklären. Ich bin ein Lexikon voller Definitionen und Formeln. Werden meine Professoren beim Durchblättern fündig, bekomme ich eine gute Note, andernfalls eine Empfehlung, die Definition ins Inhaltsverzeichnis aufzunehmen. Wird die Zurechtweisung nicht ernst genommen, folgt die Frage, ob ich bemerke, dass mein Verhalten nicht einer Volljährigen entspricht.

Trotz der Überzeugung, dass vergessene Definitionen wenig über Reife aussagen, ist respektloses Verhalten in Form von Belächeln der Lehrerreaktion unreif. Aber was machen Zurechtweisungen schon? Wichtiger ist ein gutes Abschlusszeugnis und dass alle Definitionen sitzen. Kindisches Verhalten wird höchstens kurz kommentiert.

Kurz gesagt: Auswendiggelerntes spielt eine wichtigere Rolle als angemessenes Benehmen. Zu diesem zählt in meinen Augen, abgesehen von respektvollem Verhalten, auch die Fähigkeit der „Meinungsbildung“. Es ist kein Zeichen von Reife, Zurechtweisungen wegen einer vergessenen Definition zu belächeln, die Sinnhaftigkeit dieser zu kritisieren jedoch durchaus. Die eigene Meinung ist selten gefragt. Dies betrachtet Universitätsprofessor Thomas Helmut kritisch. Auswendiglernen von Fakten reiche in keiner Weise aus. Mündigkeit bedeute, dass man fähig ist Meinungen und Handlungsvorschläge zu entwickeln.

Laut dem „Allgemeinen Bildungsziel“ sollten bei der Ausbildung der Schüler die Entwicklung von Kompetenzen, die Vermittlung von Werten und der Erwerb von Wissen beachtet werden. Bei den letzten beiden Punkten kann ich von einer Erfüllung im Unterricht sprechen.

Dass die Entwicklung von Kompetenzen den Professoren am Herzen liegt, erkenne ich selten. Im Gesetz wird Augenmerk auf die Förderung selbständigen Denkens und kritischer Reflexion gelegt. Schüler, die ihre Meinung zu einer Thematik einbringen, werden unterbrochen, da die zu übermittelnden Lehrinhalte hierfür keine Zeit lassen.

Schüler haben Probleme Gedanken zu formulieren, behaupten, einer Stellungnahme nicht fähig zu sein. Wenige verlangen statt solcher Kompetenzen die Übernahme bestehender Ansichten. In „Erziehung zur Mündigkeit“ spricht  Theodor W. Adorno von „Anpassung“ als Teil der Erziehung, doch sieht er die hohe Stellung jener problematisch.  

In „Von den Kindern“ kritisiert Khalil Gibran die einschränkende Bevormundung der Kinder. Man solle  erkennen, dass sie die Begründer einer Zukunft sind, der man höchstens im Wege steht. Ich möchte die Schuld einer misslungenen Erziehung zur Mündigkeit nicht den Lehrern zuschreiben. Der Ursprung der Vernachlässigung der Meinungsbildung liegt in der Menge des Lernstoffes, die reduziert werden sollte, damit Zeit für Diskussionen bleibt, das jedoch obliegt nicht einzelnen Lehrern. An unserer Schule empfehle ich, das Auswendiglernen und die Einteilung der Schulstunden zu überdenken. Auch an die Schüler stelle ich Forderungen. Vergesst die Angst vor euren Gedanken und erkennt, dass eure Ideen genauso relevant wie traditionelle Vorstellungen sind. Begründet eine Zukunft, ohne euch an das Bewehrte der Vergangenheit zu halten. Erschafft neue Werte und zeigt, dass ihr mehr als Lexikons mit vollgeschriebenen Seiten seid!

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