Rede
Marie Hummer 7B
Sehr geehrte
Zuhörerinnen und Zuhörer!
Ich wurde
gebeten eine Rede zu dem Thema „Werte der Jugend“ zu halten. Werte - was sind
Werte überhaupt? Für jeden Menschen haben verschiedenste Dinge einen gewissen
Wert. Obwohl ich hier nicht von antiken Gemälden oder teuren Uhren spreche,
sondern von etwas, das für jemanden wertvoll ist, obwohl es nicht materiell ist,
etwas, das man nicht fassen kann und das trotzdem eine große Bedeutung für einen
Menschen hat, sodass er sich Gedanken darüber macht, für es eintritt und
vielleicht sogar für es kämpft, wenn er dies als zu gering beachtet empfindet.
Ganze Gruppen und sogar Völker vereinen sich um sich für ihre Werte stark zu
machen. So war das jedenfalls früher. Ja früher, in der Zeit der Revolutionen, einer Kette an
Kämpfen für mehr Rechte, ausgeführt von Untertanen, die für ihre Werte und Interessen gegen
Herrscher rebellierten, ausgelöst von der Vorzeigerevolution schlechthin: der
Französischen Revolution. Menschen, die
für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bereit waren alles zu geben, auch
ihr Leben. Und heutzutage? Der Comic zeigt uns, dass die Jugend bei diesen drei
Worten nicht einmal einen Mucks macht. Anders sieht es bei Materiellem, bei
Geld, aus. Da wird gejubelt. Würde ihr das verwehrt bleiben, ginge sie auf die Barrikaden,
diese verwöhnte, blinde Jugend. Wo sind
die wilden Studenten, die ganze Universitäten erneuern wollen und die
Untergrundgruppierungen, die ihr solides Leben aufgeben, um für eine bessere
Welt mit mehr Gerechtigkeit einzutreten?
Kann jemand wirklich so ignorant sein, zu denken, Geld sei das Einzige,
für das es sich zu kämpfen lohnt, dass Materielles das Einzige von Bedeutung
ist?
Ich bin
selbst Schülerin. Natürlich merke auch ich, dass Kleidung, Aussehen,
ausreichend Taschengeld und das neueste Handy zumindest bei einem Teil meiner
Altersgenossen den Großteil ihrer Gedanken in Anspruch nehmen und dass der
bevorstehende Friseurbesuch ein heißer diskutiertes Thema ist, als die
Kriegsgeschehen im Nahen Osten. Doch ich verurteile sie dafür nicht.
Wie kommentierte Marie Antoinette angeblich die Hungersnot? Es solle doch Biskuit gegessen werden, wenn kein Brot da ist. Auch wenn ich recht wenig von solchen überzeichneten Anekdoten halte, will ich auf diese Äußerung ein wenig genauer eingehen. Marie Antoinette wurde im zarten Alter von vierzehn Jahren in einer Kutsche hübsch verpackt in schichtenweise Seide und Schleifen von Wien nach Frankreich verschickt. Mit besten Grüßen der Mutter Maria Theresia. Damit das arme Kind dieses Elend, das zu dieser Zeit in Paris schon unübersehbar herrschte, ja nicht mit anschauen müsse, wurden wahrscheinlich die kleinen Fenster des Gefährts mit Vorhängen verhängt und erst im prächtigen Versailles angekommen stieg sie aus und sah, dass alles wunderbar und perfekt in diesem edlen Frankreich war. Damit Marie Antoinette wirklich wahrnahm, wie die Realität aussah, brauchte es höchst wahrscheinlich nicht nur Berichte, sondern das Volk, das vor den Toren Versailles stand und rebellierte.
Nehmen wir an, wir sitzen hier in unserem
Schloss namens Österreich. Unsere Boten sind die Zeitungen, die uns zumindest
ansatzweise beschreiben, was rund um uns auf der restlichen Welt so vor sich
geht. Doch lesen wir einen Kriegsbericht aus einem entfernten Land und engagieren
uns dann aus Empörung und Mitgefühl in einer Gruppe für dieses Land? Nein. Es
passiert weit weg von hier und Zahlen und Wörter wie „4000 Tote“ lösen in uns leider
nur kurzes Entsetzen aus. Zumindest geht es dem Großteil von uns so.
Insbesondere den Jüngeren unter uns. Sie haben sich glücklicherweise noch nie
in solchen Situationen befunden, abgesehen von Konflikten in der Klasse und
Familie, musste sich der Großteil noch selten für seine Rechte und Werte
einsetzen. Wörter bleiben für sie Wörter. Sie können sie mit keinen
Erinnerungen und Erfahrungen verknüpfen. Man legt die Zeitung beiseite und
denkt nicht mehr weiter über die Ungerechtigkeiten und Kämpfe in dem weit
entfernten Land nach.
Doch das
geht auch anders. Es muss nicht dazu
kommen, dass die Leidenden und Kämpfenden vor unseren Toren stehen, dass wir
selbst Angst haben, dass uns Gefahr droht, um uns dann erst für unsere Werte
einsetzen, um erst dann keine Gedanken mehr an Materielles zu verschwenden. Dass
diese momentan so relevant scheinenden Themen wie Geld erst dann in den Hintergrund
rücken, weil wir dann erst die wahren Werte erkennen. Lasst uns Problematiken
in der Welt erkennen, fühlen wir mit, informieren wir uns. Lasst uns neue Werte
schaffen. Werte, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt!
Liebe Lehrerinnen,
liebe Lehrer!
Es ist nun
fünf nach Punkt. Ich beginne fünf Minuten nach dem ausgemachten Zeitpunkt mit
meinem Vortrag. Und obwohl sich der Beginn sowieso schon etwas verzögert hat,
geht die Tür noch immer in regelmäßigen Abständen auf. Alleine während dieses
kurzen Satzes ging die Tür drei Mal auf und ein weiterer Lehrer schlich sich
mehr oder weniger unauffällig in den Raum. Nicht unauffällig genug, denn die
Zuhörer drehen sich bei jedem weiteren Zuspätkommenden zur Tür und einige von Ihnen
haben auch noch das Bedürfnis diese kleine Störung zu kommentieren. Doch viele
bekommen von dieser ganzen Situation gar nichts mit. Wieso? Weil sie nicht
einmal anwesend sind. Sie ziehen eine verlängerte Pause und einen guten Tratsch
mit Kollegen, einem langweiligen Vortrag einer Schülerin, mit dem sie nichts
anfangen können, vor.
Doch nur
selten handelt es sich bei der Vortragenden um eine Schülerin, im Normalfall
würde hier vorne ein Lehrer stehen. Und dieser würde die Zuspätkommenden in das
Klassenbuch eintragen und die nicht Anwesenden würden beim nächsten Mal, wenn
sie wieder in die Schule kommen, in die Direktion zu einem persönlichen Gespräch
gebeten werden. Ein recht einseitiges Gespräch. Denn die, zu denen es nun gilt eine
gute Beziehung aufzubauen und sie zur Einsicht zu bringen, beantworten die
Fragen mit Nicken oder Kopfschütteln. Sind sie nicht böse und desinteressiert?
Sehen sie denn ihre Fehler nicht ein?
Vielleicht sind das die falschen Fragen. Vielleicht sollte man sich einmal auf die andere Seite des Schreibtisches begeben, sich in die Situation der Schüler begeben.
Vielleicht sind das die falschen Fragen. Vielleicht sollte man sich einmal auf die andere Seite des Schreibtisches begeben, sich in die Situation der Schüler begeben.
Vielleicht
sollte man die Fragen hinterfragen. Und damit meine ich die Fragen, die den Schülern
gestellt werden. Denn wer mir erklären kann, wie man eine persönliche, ehrliche
Antwort der Jugendlichen erhält oder sie sogar zur Einsicht bringt, durch
Fragen wie: „Tut es dir leid?“ oder „Findest du es okay, nicht zum Unterricht
zu erscheinen?“, der soll nun zu mir nach vorne kommen. Ich bin gespannt.
Doch wieso
sollen Sie sich die Mühe machen sich die Argumente jedes Schülers für seine
fehlende Anwesenheit anzuhören? Anwesenheitspflicht, das ist nun einmal eine
Regel, ein Gesetz und das wird einfach nicht gebrochen. So einfach ist das.
So einfach ist
das vielleicht jetzt, jetzt, seit knapp einem Monat. Davor, das wird wohl jeder
von Ihnen bestätigen können, sind die Strafen eher milde bis gar nicht
ausgefallen sind, für den Fall, dass ein Schüler abwesend war. Und nun wird
erwartet, dass der Schüler sich sofort klar wird, dass fehlende Anwesenheit absolut
nicht mehr toleriert wird und man denkt, ihn durch Fragen, die stark nach
pädagogischen Workshop-Floskeln klingen und ein paar eindringlichen Blicken zur
Einsicht und ewigen Besserung führen zu können. Und klappt das nicht, gibt es
immer noch die Möglichkeit irgendwelcher schlimm klingenden Einträge in irgendwelche
Akten, wodurch man Macht demonstrieren kann.
Doch ich
sage Ihnen, lassen sie uns einmal neue Fragen an die Schüler stellen: Wieso hast
du in einigen Unterrichtseinheiten das Gefühl, dass es sich nicht lohnt zu
diesen zu erscheinen? Wieso empfindest du manche Schulstunden als „versessene“
Zeit?
Und dann
hören Sie sich ehrliche Antworten an. Antworten, die Schüler Ihnen geben wollen
und nicht solche, von denen sie denken, dass Sie sie hören wollen. In denen sie
Wörter verwenden, die sie für angebracht halten und nicht solche, die Sie aus
dem Konzept bringen, da sie nicht in Ihren Wohlfühlwortschatz passen.
Und dann kann sich was verändern. Dann können persönliche
Gespräche entstehen und es werden keine Betragensnoten und Anmerkungen
notwendig sein. Ich freue mich auf hitzige Diskussionen und Streite, die
schlussendlich zu einem nie dagewesenen Einklang und gegenseitigen Vertrauen
zwischen Direktor, Lehrern und Schülern führen.
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